Organisationen, genau wie Teams, bestehen in und entwickeln sich mit den Gesprächen, die in ihnen geführt werden. Zumindest, wenn es bedeutsame Gespräche sind. Interessant ist nun, was als erfolgreiches oder wertvolles, und damit eben bedeutsames Gespräch erlebt wird. Menschen sind hier sehr verschieden...
Für die einen ist es gelungen, wenn "etwas dabei rumgekommen ist", Vereinbarungen und Outcomes definiert wurden. Für die anderen ist es vor allem wichtig, auf welche Art und Weise sich die Menschen im Gespräch begegnet sind und was das dann für die Beziehungsebene und Kultur der Zusammenarbeit im Team bedeuten mag. Für wieder andere ist das ein gutes Gespräch, das nicht geführt wird, wenn es nicht unbedingt sein muss und das so schnell wie möglich wieder zu Ende ist, damit Raum für die "wirkliche Arbeit" bleibt. Und ganz andere messen wieder mit ganz anderen und zum Teil ganz eigenen Kriterien.
Nehmen wir als Beispiel das beliebte Betrachten regelmäßig vorgelegter Performance-KPIs, bei der eine Abweichung zu erkennen ist. Es wird vorhersehbar eine Person geben, die das Gespräch über diese Abweichung eröffnet und deren Bedeutsamkeit betont. Andere geben nun Sachinformationen hinzu, um die Abweichung erklären zu helfen. Jemand orientiert auf handlungsorientierte Schließung: "Was machen wir jetzt damit? Und wer tut das?" Ein anderer fragt kritisch nach dem Wert des Erkenntnisgewinns dieser Übungen, indem er die Zahlenbasis relativiert und darauf hinweist, dass diese Zahlen nur im Kontext von anderen verstanden werden können. Und wieder einer betont zum Schluss, dass - ganz gleich was das inhaltliche Ergebnis ist - "wir doch dabei alle in einer transparenten Fehlerkultur wertschätzend miteinander umgehen müssen".
Ich erlebe es immer wieder als sehr hilfreich, wenn diese verschiedenen Perspektiven (mit ihren dahinterstehenden Werten und Bedürfnissen) nicht im Ringen um die alleinige Wahrheit in Konkurrenz miteinander gehen, sondern sich ergänzen dürfen. Denn wir Menschen sind eben - erfreulicherweise! - sehr verschieden. Und die Sachverhalte, über die es sich im Kreis hochbezahlter Menschen zu sprechen lohnt, in aller Regel ausreichend komplex, um keine simplen Lösungen anzubieten.
Nutzen wir nun das Modell der Moderationspyramide, so können wir unterscheiden zwischen zumindest drei Ebenen, die im Gesprächsverlauf häufig munter durcheinander purzeln:
Die Sachebene mit ihren ZDF, die auf inhaltliches Durchdringen, Verstehen, Einordnen und Klären dringt.
Die Vorgehensebene mit ihrer Dynamik, die auf das Öffnen, Halten, Orientieren oder Schließen des Gesprächsstranges zielt.
Die Beziehungsebene, die jenseits des eigentlichen Gesprächs auf das Miteinander der Sprechenden schaut und dieses gegen die eigenen Erwartungen, Hoffnungen und Befürchtungen oder auch gegen gemeinsam getroffene Absprachen oder "Spielregeln" matcht.
Ganz praktisch könntest Du dich also fragen:
Was ist meine Präferenz? Auf welcher Ebene im Gespräch spiele ich meinen natürlichen Part? Wozu neige ich in der Regel? Und wie nehmen mich andere wahr und würden mich beschreiben?
Bin ich jemand, der Gesprächsstränge öffnet oder erweitert? Bin ich jemand, der sie nach Möglichkeit schnell und ggf. handlungsorientiert schließt? Bin ich jemand, der ruhig auf den Moment wartet, wo er seinen inhaltlichen Beitrag dazulegt und ansonsten eher nicht in Erscheinung tritt? Bin ich jemand, der Themen für die anderen in ihren Kontext einordnet und ggf. aus einer Machtposition heraus rahmende Setzungen vornimmt und damit das Thema begrenzt und fokussiert? Bin ich jemand, der den Gesprächsprozess und die gegebene Zeit dafür im Blick hat und ggf. steuernd eingreift, um Menschen zum Sprechen oder auch Schweigen zu ermutigen? Bin ich jemand, der z.B. in Sorge um ein gelingendes Miteinander die Wortbeiträge mit ihrer Tonalität auf die Beziehungsbotschaft (oder auch eine mögliche politische Motivation dahinter) untersucht? Oder würde ich mich noch anders beschreiben? (Denn das soll natürlich keine abschließende Liste sein.)
Und was wäre, wenn Ihr genau dieses Gespräch mal in Eurem Team führen würdet: Über die typischen und regelmäßig beobachtbaren Unterschiede Eurer einzelnen persönlichen Beiträge zu Euren gemeinsamen Gesprächen? Aus Erfahrung bin ich überzeugt, dass so etwas, zum Beispiel im Rahmen einer Klausur, aber auch als Begleitreflexion im Alltagsmeeting, sehr sehr fruchtbare Metagespräche (also Gespräche über Gespräche) sein können! Versucht es mal!
Comments