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Andreas Wolf

Führung als Kontingenzformel

Aktualisiert: 9. März 2021

Der Begriff von "Führung" is schillernd und die Versuche ihn zu fassen sind so vielfältig wie die Denkschulen, aus denen sie stammen.


Schon 1996 haben Bennis und Nanus 850 Führungstheorien ausgemacht[1] und seitdem boomt das Thema wie nie zuvor. Wir können leicht von mehreren Tausend Varianten ausgehen. Von A wie „Authentic leadership“ bis Z wie „Zen leadership“ finden sich eine Menge Claims wie „21st century leadership“, „new era leadership“, „next level leadership“ oder „post-heroic leadership", die alle auf eine Neuorientierung von Qualitäten und Bezugsgrößen in der Führungskultur deuten.Es scheint gerade so, als ob sich der Kern des Führungsbegriffs einem festen Zugriff konsequent entzieht.


Für die bis heute unzureichend geklärte Komplexität sozialer Selbstorganisation hat der schillernde Führungsbegriff so im Laufe der Zeit eine Platzhalterfunktion gewonnen[2], die Luhmann als „Kontingenzformel“ bezeichnet hat. Er meint damit eine begriffliche Fiktion, die - ähnlich einem heuristischen Suchbegriff - als Orientierungskategorie dient, ohne dabei selber präzise bestimmbar zu sein.[3]


Als Kontingenzformel dient der Führungsbegriff dem Managementfeld zur Bearbeitung seiner selbstgenerierten Unbestimmtheit, die aus dem Reichtum an Möglichkeiten zur Fassung organisationaler Selbststeuerung in sozialen Systemen entsteht.[4]


Diese – notwendigerweise in ihrem Verlauf konstruierende – Suchbewegung ersetzt die Suche nach fixen Verlässlichkeiten. Der Prozess wird zur Wahrheit, die Reflexion zum Sinn des Begriffs. Es ensteht eine zutiefst postmoderne, paradoxe und postheroische Denkfigur. Diese wollen wir in unserer Blogserie unter der Kategorie "Führung" erkunden.



[1] Bennis, Warren G./ Nanus, Burt (2007[1985]): Leaders. Strategies for taking charge. New York: Harper Collins [2] „Never mind that leadership itself was ambiguous [...] just so long as we could suggest that anything good in organizations was the result of it. We got so giddy about leadership that we forgot it was our pat answer for the unexplainable, and went about looking for rational, objective, causal explanations, making great efforts to quantify a quality we used to explain what we could not quantify. Kafka would have found this sort of insanity all very delightful, and we might add „leadership tomfoolery“ as a symptom of „academic amnesia“ (Hansen, Hans et al. (2007): Aesthetic Leadership, in: The Leadership Quarterly 18(6), 544-560, online: http://leaderforum.net/wp-content/uploads/2010/11/) [3] So wie bspw. der Gottesbegriff für die Religion, der Gerechtigkeitsbegriff für die Juristik oder der Bildungsbegriff für das Erziehungssystem (Luhmann, Niklas (2002): Das Erziehungssystem der Gesellschaft, hrsg. von Dieter Lenzen, Frankfurt/ M.: Suhrkamp, 183f., 187). [4] Siehe Luhmann 2002: 182f.; vgl. auch Baeckers Rede von Organisationen, „in die Management und Führung als Orientierungspunkte für Interpretation und Reinterpretation eingeschlossen sind“ (Baecker, Dirk (2011, 29.08.-02.09.): Postheroische Führung, Beitrag zur Tagung „Riffelalper Managementtage 2011“, Basel, 3).






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